Fallanalysen zum Nutzungsverhalten von Lehrkräften am Beispiel des Münchener Lehrgangs zur Quantenmechanik

Ein zentrales Ziel der fachdidaktischen Forschung stellt die Verbesserung schulischen Unterrichts dar. Eine Transferstrategie zur flächendeckenden Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse bildet die Bereitstellung evidenzbasierter, innovativer materialgestützter Unterrichtskonzeptionen. Allerdings fällt das Materialnutzungsverhalten von Lehrkräften individuell sehr unterschiedlich aus, wobei das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren auf die Materialnutzung bislang wenig erforscht ist. Überdies etablieren sich zahlreiche, auch empirisch erfolgreich evaluierte Unterrichtskonzeptionen nicht nachhaltig an Schulen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, dieses Wirkgefüge unter authentischen Bedingungen genauer zu untersuchen. Dazu wurde kriteriengeleitet eine evidenzbasierte, fachdidaktisch innovative Unterrichtskonzeption ausgewählt: das Münchener Unterrichtskonzept zur Quantenmechanik (Müller, 2003). Diese wurde den teilnehmenden Lehrkräften fakultativ zur Verfügung gestellt. Einem qualitativen Forschungsansatz folgend wurden elf Lehrkräfte bei der Implementierung des Konzepts durch ein Interview zu Beginn und am Ende der Unterrichtsreihe sowie zwei Unterrichtsbeobachtungen mit je einem anschließenden stimulated recall begleitet. Die Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ausgewertet.

Aus den Ergebnissen folgt, dass die Probanden sich überwiegend heuristisch mit der bereitgestellten Konzeption auseinandersetzten und lediglich Elemente auf Sichtstrukturebene implementierten. Trotz individueller Präferenzen bei der Nutzung der Konzeption konnten theoriegeleitet zwei interindividuelle Nutzungsmuster festgestellt werden, die sich insbesondere im Bedarf nach neuen Materialien sowie im Grad der Umsetzung der bereitgestellten Konzeption unterscheiden (vgl. Gregoire, 2003). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Materialnutzung durch Lehrkräfte eine doppelte Angebots-Nutzungsstruktur auf der Ebene der Bereitstellung einer Unterrichtskonzeption und auf der Ebene der Implementierung im Unterricht zu bilden scheint. Gelingens- und Hinderungsfaktoren der Implementierung unterliegen dabei teilweise konstitutiven Antinomien, die per se nicht aufhebbar sind. Folglich bedarf es für die Gestaltung empirisch fundierter, fachdidaktisch innovativer Unterrichtskonzeptionen eines reflektierten Aushandlungsprozesses mit den identifizierten Spannungsfeldern für einen gelingenden Transfer im Sinne einer tiefgreifenden Implementierung im Unterricht.