Neuentwickeltes nichtlineares Material ermöglicht kleinere und effizientere Bauelemente

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Prof. Dr. Thomas Zentgraf und seiner Arbeitsgruppe am Department Physik der Universität Paderborn ist es in Zusammenarbeit mit einem Forscherteam der Universität Birmingham in England gelungen, gezielt die nichtlinearen optischen Eigenschaften in einem künstlich strukturierten Material zu verändern. Auf diese Weise lassen sich komplett neue Materialeigenschaften ausbilden, die in natürlich vorkommenden Materialien nicht zu realisieren sind.

„Mit der Entwicklung dieses neuen Konzeptes zur Beeinflussung der nichtlinearen Eigenschaften eines Materials erhoffen wir uns in Zukunft komplexere und auch kleinere optische Bauelemente zu realisieren“, erläutert Thomas Zentgraf. Insbesondere bei der optischen Kommunikationstechnologie und Quantenkommunikation spielen Frequenzumwandlungen häufig eine wichtige Rolle und sind auf eine Hand voll in der Natur vorkommender Materialsysteme beschränkt. „Nun haben wir ein neues Werkzeug in der Hand, um diese Prozesse zu kontrollieren und auch effizienter zu gestalten“, ist sich der Physiker sicher.

„Beobachten wir in unserem Alltag optische Phänomene, so stellen wir fest, dass sich z.B. die Farbe von Licht, also die Frequenz mit der es schwingt, nicht ändert. Grünes Licht bleibt immer grün, egal ob es durch ein Stück Glas läuft oder an einem Spiegel reflektiert wird“, erklärt Bernhard Reineke, Masterstudent in der Arbeitsgruppe./typo3/ Alle auftretenden Effekte scheinen dabei linear proportional mit der Feldstärke der Lichtwelle zusammenzuhängen. Verdoppelt man die Feldstärke einer Lichtwelle, die auf einen Spiegel fällt, so ist auch die Feldstärke der reflektierten Welle doppelt so groß. Im Jahr 1961, nur kurz nach der Realisierung des ersten Lasers, machte man jedoch eine erstaunliche Beobachtung: Bei der Beleuchtung eines einfachen Quarzkristalls mit dem roten intensiven Licht eines Lasers beobachtete man eine weitere Lichtfarbe im ultravioletten Bereich bei genau der doppelten Frequenz. Es war die Geburtsstunde eines ganzen Forschungsgebietes: der nichtlinearen Optik.

Inzwischen ist eine ganze Reihe von optischen Effekten bekannt, die erst bei sehr hohen Intensitäten von Licht in Erscheinung treten. Einige dieser Effekte finden sich mittlerweile sogar im täglichen Leben wieder: Bestimmte Frequenzen von Laserlicht werden heute standardmäßig durch nichtlinear-optische Effekte wie der Frequenzverdopplung erzeugt. Moderne optische Datenspeicher erreichen mit Hilfe von nichtlinearen Effekten höhere Speicherkapazitäten und in der Biologie und Medizin lässt sich die Auflösung bei der Mikroskopie bei der Untersuchung von Zellen deutlich steigern.

Die nichtlineare Optik ist aber auch aus einem ganz anderen Grund für die Forschung äußerst interessant. Die immer höheren Anforderungen an eine schnelle Datenübertragung und Datenverarbeitung können nur noch durch die Verwendung von Licht erfüllt werden. „In naher Zukunft werden elektronische Bauelemente zunehmend durch optische ersetzt werden. Hier wird die nichtlineare Optik eine wichtige Rolle spielen“, erwartet Prof. Zentgraf. Da sich z.B. die Ausbreitung von Licht nicht direkt mit anderem Licht beeinflussen lässt, ist immer eine kurzzeitige Wechselwirkung mit einem Material notwendig. Das Material übernimmt dabei eine Art Vermittlerrolle zwischen den zwei Lichtwellen. Aber diese Wechselwirkung ist teilweise nur sehr schwach. Deshalb ist Licht schwierig zu kontrollieren und nichtlineare Effekte nur bei sehr hohen Intensitäten zu beobachten./typo3/

Damit nichtlineare Effekte mit einer nennenswerten Effizienz ablaufen, muss das Material bestimmte Eigenschaften besitzen. Unter anderem spielt die Phasengeschwindigkeit des Lichts, also die Geschwindigkeit mit der sich die Welle bei einer bestimmten Frequenz ausbreitet, eine entscheidende Rolle. Hier zeigen alle natürlichen Materialien einen ähnlichen Effekt: Licht unterschiedlicher Frequenzen breitet sich unterschiedlich schnell in einem Material aus. In der Regel läuft blaues Licht langsamer durch ein Stück Glas als rotes Licht. Dies behindert die effiziente Umwandlung von Licht oder die Wechselwirkung von Licht mit anderem Licht. Eine starke Wechselwirkung wäre aber die Voraussetzung für optische Bauelemente, die ganz ohne Elektronik auskommen. Die unterschiedliche Geschwindigkeit führt nun zu einer Verzögerung zwischen den beiden Wellen, was sich wiederum auf die Effizienz der Umwandlung auswirkt. Unter der Voraussetzung einer starken Anregung durch eine Lichtwelle agiert jedes Atom im Material wie eine kleine Quelle für die neuen Frequenzen. Damit es nun zum Aufbau einer deutlichen Intensität kommt, müssen alle diese Quellen richtig überlagert werden. Der Physiker spricht von konstruktiver Interferenz, wie sie auch bei Wasserwellen beobachtet werden kann. Die kleinen auftretenden Laufzeitunterschiede verhindern dies jedoch.

Die Forscher aus Paderborn und Birmingham entwickelten nun ein Konzept, mit dem sich diese Laufzeitunterschiede in einem Material ausgleichen lassen. Durch eine gezielte Strukturierung des Materials mit kleinen metallischen Strukturen im Bereich von hundert Nanometern (im Vergleich: Der Durchmesser eines Haares ist typischerweise 1000mal größer) kann lokal eine kleine Verzögerung bei der Erzeugung des neuen Lichts im Material erreicht werden, so dass es wieder die „richtige“ Lage hat und es durch eine positive Überlagerung zu einer Verstärkung kommt.

Im Labor konnten die Forscher diesen Effekt bereits ausnutzen. Sie modifizierten das Material so, dass das neu erzeugte Licht in eine andere Richtung lief. Für die ursprüngliche einfallende Welle des Lasers ergab sich hingegen keine Änderung der Richtung, was darauf hindeutet, dass sich nur die nichtlinearen Eigenschaften des Materials verändert haben, die linearen Eigenschaften blieben jedoch trotz der Strukturierung gleich. Obwohl in den ersten Versuchen nur die Richtung des neuen Lichts verändert wurde, kann mit der gleichen Technik z.B. auch das Strahlprofil zukünftig gezielt verändert und die Effizienz bei der Umwandlung besser kontrolliert werden.

Diese Ergebnisse tragen wesentlich zur Forschung des 2014 gestarteten Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB/Transregio 142): „Maßgeschneiderte nichtlineare Photonik: Von grundlegenden Konzepten zu funktionellen Strukturen“ bei, der sich auf die physikalischen Grundlagen und Anwendungen nichtlinearer Licht-Materie-Wechselwirkungen konzentriert. Dabei liegt der Forschungsschwerpunkt einerseits in der Erforschung grundlegender Mechanismen wichtiger nichtlinearer Wechselwirkungen. Andererseits werden neuartige und sehr vielversprechende Konzepte aus der Quantenoptik, der kohärenten Optik und der Optoelektronik eingebracht. Diese innovative Grundlagenforschung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuartiger Komponenten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien.

 

Die Originalpublikation ist im Fachjournal Nature Materials erschienen und kann unter folgendem Link angesehen werden:

www.nature.com/doifinder/10.1038/nmat4267

Prof. Dr. Thomas Zentgraf (links) und Masterstudent Bernhard Reineke (rechts) präsentieren im Optiklabor ihr entwickeltes nichtlineares optisches Material.
Bei der Frequenzumwandlung von Licht in einem natürlichen, nichtlinearen Material werden die Atome durch ein starkes Lichtfeld eines Lasers zum Schwingen angeregt und verhalten sich wie kleine Quellen für neues Licht bei der doppelten Frequenz. In der Überlagerung dieser neuen Lichtwellen ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen Phasen jedoch nur ein schwaches Signal. In einem künstlichen, nichtlinearen Material wird die doppelte Frequenz in nanoskopisch kleinen Strukturen erzeugt. Im gezeigten Beispiel lässt sich durch eine Verdrehung jeder einzelnen Struktur die Phase richtig einstellen und es kommt zu einer positiven Überlagerung mit einem starken Signal.
Das Schema veranschaulicht das durchgeführte Experiment im Labor. Die Nanostrukturen wurden hierzu auf einer Glasoberfläche hergestellt und periodisch angeordnet. Die Orientierung jeder einzel-nen Struktur wurde jedoch so gewählt, dass sich für das nichtlineare Signal eine andere Richtung als für den anregenden Laserstrahl ergibt. Für das Experiment benutzte das Team von Prof. Dr. Thomas Zentgraf jedoch infrarotes Laserlicht, welches für das menschliche Auge nicht sichtbar ist und erzeugte daraus blaues Licht mit einer Wellenlänge von ungefähr 400 nm.