Quanten-Zufallsbewegungen mit Senken ermöglichen Studien von Quantendynamiken unter dem Einfluss von Messungen mit rein klassischem Licht.
Die Bewegung eines klassischen Teilchens kann man ganz selbstverständlich verfolgen, indem man präzise seinen Ort und seine Geschwindigkeit vermisst. In der Quantenwelt sieht dies ganz anders aus. Hier greift jeder Messprozess, und sei er noch so schwach, in die Ausbreitungseigenschaften des Systems ein und beeinflusst seine zukünftigen Laufwege. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist das Young‘sche Doppelspalt Experiment, bei dem Quantenteilchen durch einen Doppelspalt gesendet werden. Führt man dieses Experiment viele Male durch und bestimmt hinter den Spalt den Ort der Teilchen, so findet man ein Streifenmuster. Dieses entsteht nach den Gesetzen der Quantenphysik dadurch, dass das Quantenteilchen alle möglichen Pfade durch die Spalte gleichzeitig durchläuft. Nach dem Spalt befindet es sich in einem sogenannten Überlagerungszustand verschiedener Orte und zeigt einen wellenartigen Charakter. Misst man nun aber zusätzlich durch welchen der Spalte das Teilchen transmittiert wurde, verschwindet das Streifenmuster, denn die Beobachtung legt den Pfad des Teilchens fest und zerstört damit seine Welleneigenschaften.
Dieser Einfluss jeglicher Messung auf die Ausbreitung eines quantenmechnischen Systems gehört zu den vier grundlegenden Axiomen der Quantenmechanik. Forscher aus Paderborn haben dieses Verhalten experimentell an einem Fasernetzwerk mit Photonen als Quantenlichtteilchen in einer deutsch-tschechischen Kooperation untersucht. Sie erforschten das Verhalten einer Quanten-Zufallsbewegung (Quantenwalk), indem sie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr eines Photons nach seiner Ausbreitung zu seinem Ausgangsort analysierten. Im analogen klassischen System wurde schon 1921 durch Mathematiker Polyá bewiesen, dass ein klassisches Teilchen für eine Zufallsbewegung auf einer Linie und in einer Ebene mit Sicherheit immer wieder zu seinem Startpunkt zurückkommt. Mathematisch formuliert bedeutet dies, dass sich die Rückkehrwahrscheinlichkeiten zu eins aufsummieren, wobei für alle Pfade der Zufallsbewegung nur jede erste Rückkehr berücksichtigt wird und beliebig lange Pfade möglich sind.
Will man diese Idee in die Quantenphysik übertragen, so ist es entscheidend, welche Messungen während der Ausbreitung des Teilchens durchgeführt werden. Zum einen kann man die Zufallsbewegung bis zu einer bestimmten Zeit unbehelligt laufen lassen, dann messen und das Experiment unter gleichbleibenden Bedingungen wiederholen. Nach Aufnahme von genügend Daten kann man die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zu bestimmen. Will man, zum anderen, aber sicher gehen, dass das Teilchen bei seiner Quantenzufallsbewegung tatsächlich zum ersten Mal zu seinem Ausgangspunkt zurückgekehrt ist, muss man in jedem Schritt der Zufallsbewegung unterwegs nachsehen, ob sich das Teilchen am Ursprungsort befindet. Diese Messung wird indirekt durchgeführt: Mit einem sehr schnellen elektro-optischen Schalter wird am Ursprung eine sogenannte Senke eingeführt, die das Lichtteilchen nicht passieren kann. Misst man in einem späteren Schritt dennoch Licht am Ursprung, so weiß man, dass das Licht dort zum ersten Mal angekommen ist. Indem man nun Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten der Ausbreitung durchführt, kann der zeitliche Verlauf der Rückkehrwahrscheinlichkeit rekonstruiert werden.
Ähnlich wie beim Doppelspalt-Experiment führen beide Arten der Messung, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Jedoch fällt der Vergleich mit einem klassischen System etwas anders aus. Die Rückkehr-Eigenschaft des Quantenteilchen, das unbehelligt seine Zufallsbewegungen durchführen kann, ist für dieses Experiment gleich derjenigen eines klassischen Teilchens: es kommt mit Sicherheit zu seinem Startpunkt zurück und die Rückkehrwahrscheinlichkeiten summieren sich zu eins. Im Gegensatz dazu verhält sich das Quantenteilchen, das während seiner Bewegung unter Beobachtung steht, anders. Seine Rückkehrwahrscheinlichkeit ist deutlich keiner, nämlich nur 2/π = 64%.
Im Experiment konnten die Wissenschaftler das beschriebene Verhalten mit kurzen kohärenten Laserpulsen in einem ausgereiften Fasernetzwerk mit und ohne kontrollierte Messungen an der Ausgangsposition den Unterschied experimentell bestätigen. Überraschenderweise waren hierzu gar keine Einzelphotonen, also echte quantenmechanische Teilchen nötig, sondern nur „normale“ Laserlicht, das in der Optik häufig als klassische Ressource angesehen wird. Die Arbeit der Forscher wird am 29.6.2018 im Journal Science Advances veröffentlicht und ist über arXiv:1803.04712 auf Arxiv.org frei zugänglich.