Implementierung fachdidaktischer Innovation im Physikunterricht

Handlungsmuster von Lehrkräften bei der Implementation fachdidaktischer Innovation

Ausgangslage:

Zu den Aufgaben fachdidaktischer Forschung gehört die Verbesserung von Lehr-Lern-Prozessen auf Grundlage von empirischen Forschungsergebnissen. Ein möglicher Weg, solche Innovationen zu implementieren, verläuft über die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien. Diese eignen sich insofern gut für die Unterstützung der professionellen Weiterbildung von Lehrkräften, da ihre Nutzung bereits in deren Berufsalltag bei der Vorbereitung von Unterricht verankert ist. Zudem liegen Hinweise vor, dass empirisch fundierte Unterrichtsmaterialien die Unterrichtsqualität, das professionelle Wissen und die Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehrkräften erhöhen können (Möller, 2010; Charalambous & Hill, 2012).

Allerdings ist die Nutzung von Unterrichtsmaterialien ein sehr individueller Prozess, der von Faktoren wie Wissen, Überzeugungen oder Erfahrungen der Lehrperson beeinflusst wird (Remillard, 2005). Nach Roehrig et al. (2007) hängt der Grad der Implementation direkt mit den Werthaltungen von Lehrkräften zusammen. Sie berichten aus einer Studie mit 27 Chemielehrkräften, dass Lehrkräfte, die einen lehrerzentrierten Unterricht bevorzugen, ein bereitgestelltes Konzept zum forschenden Lernen kaum umsetzten im Gegensatz zu stärker schülerorientierten Lehrkräften. Neben solchen lehrerspezifischen Charakteristika spielen auch Eigenschaften der Unterrichtsmaterialien für die Implementierung eine wichtige Rolle. Bei einer Analyse eines neuen schwedischen Lehrplans im Fach Mathematik stellten Bergqvist und Bergqvist (2017) fest, dass der Text primär aus langen komplexen Sätzen besteht und die Ziele wenig präzise formuliert sind. Daraus resultiert ein größerer Interpretationsspielraum seitens der Lehrkräfte. Bislang liegen jedoch nur wenige Erkenntnisse zum Zusammenspiel dieser verschiedenen Einflussfaktoren vor (Davis et al., 2016).

Forschungsfragen:

Ziel der Studie ist es daher, mehr über die Wirkmechanismen bei der Implementation von Unterrichtsmaterialien herauszufinden. Es wird untersucht, wie Physiklehrkräfte ein empirisch fundiertes Unterrichtskonzept bei der Unterrichtsvorbereitung nutzen und dieses im Unterricht umsetzen. Ferner wird betrachtet, welche Faktoren die Planungsentscheidungen der Lehrkräfte beeinflussen und auf welche Elemente der Materialien (wie z.B. Aufgaben oder Versuchsbeschreibungen) diese bevorzugt zurückgreifen. 

Forschungsdesign und Methoden:

Zur Untersuchung des Nutzungsverhaltens von Unterrichtsmaterialien wurde das Münchener Unterrichtskonzept zur Quantenphysik kriteriengeleitet aus verschiedenen empirisch fundierten Unterrichtskonzepten ausgewählt. Die Besonderheit des Konzeptes ist, dass es unter Berücksichtigung typischer Schülervorstellungen entwickelt wurde und das qualitative Verständnis von Quantenphysik fokussiert (Müller, 2003). Das Unterrichtskonzept wird den teilnehmenden Lehrkräften als Anregung für eine Unterrichtsreihe zur Quantenphysik in der Oberstufe zur Verfügung gestellt.

In einem Einstiegsinterview werden die Lehrkräfte zu ihren Vorstellungen zum Lehren und Lernen und ihrem ersten Eindruck vom Unterrichtskonzept befragt. Darüber hinaus werden zwei festgelegte Unterrichtsstunden videographiert und in anschließenden Stimulated Recall-Interviews nachbesprochen, um mehr über die Implementierung im Unterricht und die Planungsentscheidungen herauszufinden. In einem abschließenden Reflexionsinterview werden die Probanden zur gesamten Unterrichtsreihe befragt.

Die Stichprobe setzt sich aus zwölf Gymnasiallehrkräften aus vier verschiedenen Bundesländern zusammen, welche mittels Theoretical Sampling ausgewählt wurden, um die Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse zu erhöhen (Bortz & Döring, 2006). Die erhobenen Daten werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) ausgewertet.

Ausblick:

Ziel ist es, die verschiedenen Fälle zu vergleichen, um typische Handlungsmuster bei der Nutzung und Implementation innovativer Unterrichtsmaterialien zu abstrahieren. Außerdem sollen auf Basis der bisherigen Forschung und der gewonnenen Erkenntnisse Hypothesen zum Transfer von Forschung zur Schule abgeleitet werden.

Literatur:

Bergqvist, E., Bergqvist T. (2017). The Role of the Formal Written Curriculum in Standards-based Reform. Journal of Curriculum Studies, 49 (2), 149-168.

Bortz, J., Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin, Heidelberg: Springer.

Charalambous, C., Hill, H. (2012). Teacher Knowledge, Curriculum Materials, and Quality of Instruction: Unpacking a Complex Relationship. Journal of Curriculum Studies, 44 (4), 443-466.

Davis, E., Janssen, F., van Driel, J. (2016). Teachers and Science Curriculum Materials: Where We Are and Where We Need to Go. Studies in Science Education, 52 (2), 127-160.

Kuckartz, U. (2016). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim: Beltz.

Möller, C. (2010): Lehrmittel als Tools für die Hand der Lehrkräfte. Ein Mittel zur Unterrichtsentwicklung? In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 28(1), 97-108.

Müller, R. (2003): Quantenphysik in der Schule. Berlin: Logos.

Remillard, J. (2005). Examining Key Concepts in Research on Teachers' Use of Mathematics Curricula. Review of Educational Research, 75 (2), 211-246.

Roehrig, G., Kruse, R., Kern, A. (2007). Teacher and School Characteristics and Their Influence on Curriculum Implementation. Journal of Research in Science Teaching, 44 (7), 883-907.