Per­form­an­zbasierte Prü­fungs­ver­fahren

Schulphysik I, II und III sind Pflichtmodule im Bachelorstudium im Lehramt HRSGe, die nacheinander im 2., 3. und 4. Semester zu absolvieren sind. Sie bestehen jeweils aus einem Experimentierpraktikum und einer Übung und sind Teil des fachwissenschaftlichen Studiums. Der Workload beträgt 180 h pro Modul.  Als Prüfungsleistung ist pro Modul ein Abschlussportfolio mit den Elementen Vorbereitung, Durchführung, Ausarbeitungen zu den Versuchen und Abschlussgespräch über alle Versuche vorgeschrieben. Die Kursgröße beträgt ca. 6-14 Studierende. Die Beschreibung dieser E-Assessments erfolgt hier anhand der Argumentationskette des Constructive Alignment.

Abb. Technische Realisierung einer kompetenzorientierten Prüfung: Das Prüfungszenario wird von oben mit einer Weitwinkel-Webcam aufgezeichnet. Dadurch sieht man den Prüfling nicht direkt. Die Versprachlichung wird über ein leistungsstarkes Headset aufgezeichnet. Dadurch braucht man keine Schallabschirmung. Die Softwarebedienung der Aufzeichnung wird von dem Prüfling selbständig durchgeführt.

 

Ziele und Kompetenzen. Den ländergemeinsamen Vorgaben der KMK für Lehramtsstudiengänge in Physik zufolge sollen im Rahmen von physikalischen Praktika im Fachspezifischen Kompetenzprofil u. a. die folgenden Facetten angestrebt werden:  Studienabsolventinnen  und -absolventen „verfügen über anschlussfähiges physikalisches Fachwissen…; sie sind vertraut mit den Arbeits- und Erkenntnismethoden der Physik und verfügen über Kenntnisse und Fertigkeiten im Experimentieren und im Handhaben von (schultypischen) Geräten“. Außerdem nennt die Prüfungsordnung der UPB spezifische Schlüsselkompetenzen wie Zeitmanagement, Medienkompetenz insbesondere bei der Auswertung und der Darstellung der Arbeitsergebnisse und Selbstorganisation.  

In der bisherigen Praxis waren pro Modul durchschnittlich vier schriftliche Ausarbeitungen in Form von klassischen Praktikumsberichten zentrales Element des Portfolios. Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Die fachdidaktische Forschung hat gezeigt, dass solche schriftlichen Produkte die praktischen Facetten der Experimentierkompetenz – z.B. die Handhabung von Geräten – nicht messen können; die Fähigkeit ein Experiment fachlich korrekt durchführen und simultan mit korrekter Fachsprache erklären zu können – wie sie später im Beruf bei einem Demonstrationsexperiment erforderlich ist – wird dadurch nicht geprüft. Weiterhin berichteten unsere Studierenden in einer Befragung, dass sie sich in der Praktikumsveranstaltung bei der Handhabung der Geräte wechselseitig auf das Können ihrer Praktikumspartner verlassen. Das Verfahren prüft so gesehen also keine individuelle Leistung. Die Studierenden geben außerdem an, dass sie sich nur mit denjenigen Experimenten wirklich aktiv auseinandersetzen, zu denen sie einen Praktikumsbericht schreiben müssen. Das ist rein rechnerisch betrachtet nur ¼ der Experimente. Die anderen, ebenfalls relevanten Themen werden nur oberflächlich betrachtet bzw. bearbeitet. Ein weiteres, bekanntes Problem ist, dass Studierende auf Musterprotokolle zurückgreifen und diese z.T. vollständig „abschreiben“. In der bisherigen Prüfungsform werden also Kompetenzfacetten wie das wissenschaftliche Schreiben und die Teamarbeit gut, die anderen oben genannten Facetten jedoch eher nicht angemessen geprüft. 

Angepasste Prüfungsform. Die Anzahl der schriftlichen Praktikumsberichte wird auf die Hälfte reduziert. Das Portfolio wird durch ein e-Portfolio bestehend aus zwei kompetenzorientierten Videoaufnahmen als Prüfungsleistung ergänzt. Eine aus der Praktikumsveranstaltung bekannte schulrelevante experimentelle Aufgabe wird individuell bearbeitet und der Prüfling wird dabei videographiert (s. Abb.1). Für die Bearbeitung stehen 90 Minuten zur Verfügung. Das  Vorgehen beim Experimentieren soll von den Studierenden versprachlicht und erklärt werden. Die Auswertung der Messergebnissen soll in Excel (Medienkompetenz) vorgenommen werden. Das von den Studierenden in der Veranstaltung geführte Laborbuch darf als Gedankenstütze verwendet werden. Die im Video gezeigte Leistung wird anhand eines Bewertungsbogens vom Dozent ausgewertet.

Forderung an die Lehrmethode. Damit Studierende sich auf diese handlungsorientierte Prüfung ausreichend vorbereiten können, müssen zum einen der Bewertungsbogen und zum anderen die Liste der Versuche vom Dozenten transparent gemacht werden. Außerdem sollte genügend Gelegenheit zum Üben der Handlungsabläufe eingeräumt werden. Auch ist es notwendig, grundlegende Kenntnisse z.B. zur Bedienung von Excel oder bei der Durchführung von Fehlerrechnungen mehrmals gemeinsam zu üben. Ebenso sollte das präzise Führen des Laborbuches im Rahmen der Veranstaltung aktiv  unterstützt  werden, zumal es später als Gedankenstütze in der Prüfung genutzt werden darf.

Erfahrungsbericht. Ein Betreuer – Dozent oder eingearbeitete SHK – reicht aus, um die Prüfungssituation von 20 Studierenden zu begleiten. Wir haben eine technisch ausgereifte Lösung entwickelt, bei der bis zu 20 Studierende gleichzeitig ohne Schallabschirmung im Raum arbeiten können und trotzdem gute Aufnahmequalitäten erzielt werden. Da das e-Assessment zweimal – einmal in der Mitte und einmal am Ende des Semesters – durchgeführt wird (so gesehen stellt es eine formative Prüfung dar), werden die Studierenden zu einer kontinuierlichen Mitarbeit angehalten (nicht nur ¼ Themen s. oben). Die Studierenden akzeptieren dieses Prüfungsformat. Ihrer Meinung nach werden dadurch berufsnahe Fähigkeiten und Fertigkeiten geprüft. Die Auswertung mit Hilfe des Bewertungsbogens dauert ca. 1 Stunde pro Kandidat.

Offene Fragen: Ist ein solches E-Assessment-Szenario ein rechtlich vertretbares Prüfungsformat? Wie lässt sich dieses Prüfungsformat in PANDA einbinden (Hochladen der Videoaufnahmen und Bearbeiten von Bewertungsbögen)? Wie valide ist diese Bewertungsform und kann der Bewertungsprozess anhand konkreter Beispiele gezielt trainiert werden? Wie kann man den Studierenden für das Einüben von experimentellen Handlungsabläufen mehr Raum bieten? Inwiefern ist das Prüfungsformat auf andere Experimentierpraktika oder andere Fächer übertragbar?